Manuel Jiménez Raya, Terry Lamb und Flávia Vieira haben eine Checkliste entwickelt, die uns bei der Reflexion über unsere Einstellungen, Arbeitsweisen und Erfahrungen helfen soll. Sie nennen darin die Bedingungen einer Autonomie-fördernden Pädagogik. Die Checkliste eignet sich auch dafür, sie mit Kolleg:innen zu diskutieren. Dabei können auch einzelne Bereiche bzw. Fragen herausgegriffen werden, die gerade relevant sind, und eigene Fragen hinzugefügt werden.
Diese Checkliste enthält vier Bereiche:
- Einen kritischen Blick auf die Fremdsprachenausbildung entwickeln
- Freiräume innerhalb institutioneller Vorgaben schaffen
- Fokus auf die Lernenden setzen
- Austausch mit Kolleg:innen und der professionellen Community initiieren und nutzen
A. Einen kritischen Blick auf die Fremdsprachenausbildung entwickeln
Habe ich den Willen, die Fähigkeit und die Möglichkeit …
… mich und meine Studierenden als Akteure gesellschaftlicher und bildungspolitischer Veränderung zu sehen?
… das Lehren als eine forschungsorientierte Aktivität zu sehen (da Lehrsituationen oft einzigartig, ungewiss und komplex sind)?
… mich über autonomiefördernde Ansätze in der Fremdsprachenlehre auf dem Laufenden zu halten?
… die Rolle der Fremdsprachenausbildung bei der Förderung von mehrsprachiger und interkultureller Kompetenz zu erkennen?
… gegenüber sprachlicher und kultureller Vielfalt offen zu sein und auch meine Lernenden dazu zu ermutigen?
… einen kritischen Standpunkt gegenüber den Werten und Zielen fremdsprachendidaktischer Curricula einzunehmen?
… einen kritischen Standpunkt gegenüber dem pädagogischen Wert von Lernplänen, Lehrwerken und anderen Lernmaterialien einzunehmen?
… Lernende zu ermutigen, kritisch zu sein gegenüber gesellschaftlichen und bildungspolitischen Werten und Praktiken?
…
…
B. Freiräume innerhalb institutioneller Vorgaben schaffen
Habe ich den Willen, die Fähigkeit und die Möglichkeit …
… zu erkennen, was auf Lernenden- und Lehrendenseite Autonomie behindert und Widersprüche als Teil des Lehr/Lernprozesses wahrzunehmen?
… Konventionen meiner Schule/Universität in Frage zu stellen (und diesen gegebenenfalls zu widersprechen)?
… einen Mittelweg zu suchen zwischen Tradition und Innovation, ohne meine Ideale aufzugeben?
… pädagogische Entscheidungen zu treffen mit dem Ziel, Gelegenheiten für mehr Lernautonomie zu schaffen?
… meine pädagogischen Ansichten und Fragen mit den Lernenden zu teilen?
… die Lernenden an der Suche nach kreativen Lösungen für Probleme zu beteiligen, die ihren Lernprozess betreffen?
… Widersprüche und Konflikte als notwendige Bestandteile der Kommunikation und der Entscheidungsfindung im Unterricht zu akzeptieren?
… individuelle Lernaspekte (Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen) mit dem sozialen / interaktiven Charakter der Klassenraum/Schul/Universitäts-Situation in Einklang zu bringen?
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C. Fokus auf die Lernenden setzen
Habe ich den Willen, die Fähigkeit und die Möglichkeit …
… das Selbstwertgefühl der Lernenden und ihren Willen zu stärken, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen?
… die Lernenden in die Reflexion über Sprache und den Sprachlernprozess einzubeziehen?
… das Wissen über und die Experimentierfreude mit Sprachlernstrategien (im und außerhalb des Unterrichts) zu fördern?
… die Lernenden dabei zu fördern, ihren Lernprozess selbst und/oder gemeinsam mit anderen zu steuern (den Lernprozess planen, kontrollieren und evaluieren)?
… Lernende darin zu unterstützen, gemeinsam und mit den Lehrenden Ideen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen?
… Kooperation und Teamwork unter den Lernenden anzuregen?
… Wege zu finden, um die formative Funktion von (Selbst-)Einschätzung und (Selbst-)Bewertung zu stärken (z.B. durch Selbstevaluation und das Aushandeln von Bewertungskriterien)?
… Lernenden-Daten zu sammeln und zu analysieren, um Lehr- und Lernprozesse zu verstehen und zu verbessern (durch Beobachtung, Fragebögen, Checklisten, Lerntagebücher, Portfolios, Interviews, etc.).
… Lernende anzuregen, Daten zu ihrem Lernprozess zu sammeln und/oder zu analysieren, um diesen besser zu verstehen.
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D. Austausch mit Kolleg:innen und der professionellen Community initiieren und nutzen
Habe ich den Willen, die Fähigkeit und die Möglichkeit …
… meine theoretischen Ansichten, meine praktischen Anwendungsbeispiele und Fragen mit für mich wichtigen Vertreter:innen meiner professionellen Community zu teilen?
… andere (Lernende, Kolleg:innen, Mentor:innen, etc.) bitten mich bei der Weiterentwicklung meiner Lehre zu unterstützen (z.B. durch Hospitationen und Feedback, Materialentwicklung, Analyse von Arbeiten der Lernenden, etc.)?
… meine Erfahrungen zu teilen und meine Ansichten denen anderer in der professionellen Community gegenüberzustellen?
… mich an der öffentlichen Debatte über Erziehung und Bildung zu beteiligen?
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Übersetzt und leicht verändert aus: Jiménez Raya, M., Lamb, T. & Vieira, F. (2017). Mapping autonomy in language education. A framework for learner and teacher development. Frankfurt am Main: Peter Lang.